- Kreatives Schreiben als Kreativitätstraining -
Kreatives Schreiben reicht bis in die Antike zurück, aber erst im 20. Jahrhundert bekam es einen Namen. Wurde benannt, definiert. Doch ich behaupte, dass viele in der Schweiz bis heute nicht wissen, was kreatives Schreiben wirklich ist, oder bewirken kann. Lutz von Werder hat sich bereits in den 70er Jahren mit Kreativitätsforschung befasst und baute 1982 das Institut für kreatives Schreiben in Berlin auf. Wenn ich das interpretieren müsste, hat von Werder etwas entdeckt, dass ihm so wichtig wurde, in das er Vertrauen steckte, dass er dafür ein Institut leitete und schliesslich sein Wissen in Buchform weitergeben wollte. Ich habe dieses Buch vor einigen Jahren verschlungen, habe wichtige Zeilen angestrichen, hilfreiche Seiten mit einem Post-It beklebt. Heute sieht es aus wie das ZGB/OR eines Jurastudenten. In meinem Studium - Jahre zuvor - kam ich das erste Mal in Berührung mit kreativem Schreiben, wobei ich die gleiche Erwartung hatte wie viele Leute, die den Begriff einst hörten. Ich dachte, dass wir dabei kreative, verrückte Dinge schreiben würden. Zum Teil war das auch so. Aber bereits bei der ersten Übung wusste ich, es war so viel mehr. Kreatives Schreiben ist nicht, dass man kreativ schreibt, dass man ideenreich ist, sondern es führt zur eigenen Kreativität. Aber da hadert es bereits wieder. Was ist Kreativität? Hierbei bediene ich mich immer derselben Definition: "( … ) Neugier und eine Sensitivität für ungelöste Probleme; ein ungehemmter Gedankenfluss, der sich nicht durch banales unterbrechen lässt; die Fähigkeit, sich zu konzentrieren und mit ganzem Herzen bei der Sache zu sein; die Fähigkeit, Dinge zusammenzufassen und sich nicht in Einzelheiten zu verlieren; Flexibilität, um sein Ziele zu erreichen, also nicht krampfhaft an einem Weg festzuhalten; die Fähigkeit zur Abstraktion und dazu, einen Sachverhalt analysieren zu können, eine lebendige Vorstellungskompetenz, denn häufig entwickeln sich kreative Gedanken in einer bildlichen Welt. Und doch ganz wichtig ist: Man muss an sich selbst glauben, man muss unabhängig sein und man muss eine hohe Frustrationstoleranz haben, denn alles Neue wird zunächst von anderen als störend abgelehnt. ( … )“ So und jetzt sage mir noch einer, er/sie wäre nicht kreativ. Bist du neugierig? Bist du aufgeschlossen? Denkst du lösungsorientiert? Du bist kreativ. Egal, welchen Beruf du ausführst, egal, wie du aufgewachsen bist, egal, wo und wie du lebst, du bist kreativ. Das schreibe ich beruhend auf neuste Forschungsergebnisse in der Neurowissenschaft bezüglich Kreativität. Jeder Mensch, wenn nicht sogar jedes Lebewesen ist kreativ. Die meisten Menschen wissen nur nicht, wie sie sie aktivieren können. Schliesslich haben wir keinen Knopf am Kopf, den wir drücken können. Aber gehen wir zurück auf den einen Weg, den leichten Weg, die eigene Kreativität zu aktivieren. Das kreative Schreiben. Wie können wir uns all diese positiven Eigenschaften der Kreativität alleine durch Schreiben aneignen? Ich bin keine Neurowissenschaftlerin, ich kann euch nicht erklären, was dabei im Hirn abgeht, aber ich kann euch versprechen, dass es funktioniert. Ich habe es bereits so oft gesehen. Bei jung und alt, bei schlau und dumm, bei froh und traurig. Wichtig ist dabei aber nicht nur das kreative Schreiben selbst, sondern wer es lehrt, wie, wem und in welchem Kontext es gelehrt wird. Nicht das Schreiben, nein, die Kreativitätsaktivierung.
Als allererstes ist es wichtig den Teilnehmenden ein Kreativbewusstsein zu vermitteln. Wir müssen an uns selbst glauben, unsere Hemmungen einen Moment ablegen und uns darauf einlassen können. Ich möchte mich hier als Beispiel zur Verfügung stellen.
Ich wollte als Teenie unbedingt Radiomoderatorin werden, weil ich während meinen Toilettengängen Interviews mit mir selbst geführt habe. Ich hatte meine eigene WC-Radioshow, dachte, das hätte für die Zukunft etwas zu sagen. Ich erzähle das zum ersten Mal, aber es ist wichtig um zu verstehen, wie ich meine eigene Kreativität entdeckt habe. Ich kam bei diesen Interviews auf neue Ideen. Ich hatte Ruhe, tat etwas, das mein Hirn automatisch verrichtete und durch die Fragestellungen aktivierte ich ohne mein Wissen meine Kreativität. Ich hörte damit auf, als ich Autofahren gelernt hatte. Meine Schreiborte waren immer weiter entfernt, damit Fahrt vor dem Schreiben länger ist und ich dabei auch Musik hören kann, manchmal auch laut mitsinge. Wenn ich dann in meinen Schreibcafés ankomme, ist meine Kreativität aktiviert und ich kann ohne Blockade los schreiben. Erneut ist es ein Automatismus kombiniert mit etwas, das mich kognitiv fordert, in dem Fall die Musik. Meine Gedanken sprudeln während dem Autofahren. Ist es euch auch jemals so ergangen? Beim Fahrradfahren, beim Duschen, Kochen, oder sogar beim Putzen? Könnt ihr diese Frage mit ja beantworten ist meine halbe Arbeit getan. Die Momente zu erkennen, bei welchen man unabhängig denkt, sind wichtig für das Kreativbewusstsein. Je stärker es ist, umso leichter ist es mit dem kreativen Schreiben die Gedanken zu kanalisieren und festzuhalten. Das ist es nämlich bei den meisten, dass wenn die Fahrt, das Putzen vorbei ist, die Ideen und Gedanken auch wieder vergessen sind. Im schreibenden Kreativitätstraining geht es genau um diese zwei Komponenten und wie man sie zum Vorteil der eigenen Kreativität kombiniert.
Es bedarf nicht viel und kommt meist auf die Lehrperson und deren Verpackung der kommenden Lehrstunden an. In positiver Atmosphäre, am Besten nach Carl Rogers und Barbara Fredrickson lässt es sich am leichtesten leiten. Eine intensive Teilnehmendenanalyse ist also wichtig. Wenn du nicht weisst, was das ist, würde ich sagen, dass du kreatives Schreiben nicht lehren solltest, oder jedenfalls wäre es dann nicht das schreibende Kreativitätstraining, das ich euch näher bringen möchte.
Kreatives Schreiben beinhaltet auch viele Übungen, die aus dem Literarischen kommen und auch dahin führen sollen. Diesen Teil verleugne ich keineswegs. Er ist aber nur ein minimaler Teil meiner Arbeit und hat kaum etwas mit Kreativitätsaktivierung zutun. Arbeite ich mit Lernenden an einem grösseren Projekt freut es mich aber literarisch kreatives Schreiben miteinzubauen. Tolle Übungen, die unglaublich Spass machen, nicht nur den Lernenden und Schreibenden. Dieser Teil ist der meist bekannte. Aber wusstet ihr zum Beispiel, dass das Brainstorming eine Übung des kreativen Schreibens ist? Mindmaps? Formen, die in vielen Unternehmen für die Ideenfindung genutzt wird und die schreiben danach ja keinen Liebesroman. Ausser vielleicht Firmen wie parship.ch. Aber Scherz beiseite. Ich bin überzeugt, dass die Pioniere des kreativen Schreibens gesehen haben, was es alles tun kann. Dass es ungehemmt die Gedanken fliessen lässt, dass die Frustrationstoleranz erhöht wird, der Schreibende die Fähigkeit erlangt sich nicht in Kleinigkeiten zu verlieren, sondern fokussiert und lösungsorientiert agieren kann. Kreativ denkt und handelt. Sie haben bestimmt erkannt, dass kreatives Schreiben nicht nur für Schriftsteller und Künstler geeignet ist, dass es so viel mehr bewirkt, dass Kreativität unsere Wahrnehmungsfähigkeit verbessert, unser Leben verbessert. Jenes einzelnen Schreibenden.
Vor 40 Jahren benannt, von so vielen guten Leuten weiterentwickelt, präsentiere ich euch eine neue Ära des kreativen Schreibens. Das schreibende Kreativitätstraining.