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Finde mich

- Oder wie ich nach der Liebe suchte. -  

 

Dieser Wunsch nach Symbiose. Das war nicht der wirkliche Wunsch jemand anderen zu finden, mit dem ich mich verbinden könnte, nein, es war der Wunsch mich selbst zu erfüllen. 

Vielleicht die Krankheit einer ganzen Generation, aber bei mir erreichte das ein neues Level. Nicht nur bezüglich meinen Träumen und Zielen und all den Möglichkeiten, die damit verbunden waren. Ich habe immer versucht herauszufinden, was mir fehlte. Die Liebe. Ein Mann. Wahre Freundschaft. Wahre Liebe. Diesen einen Menschen. Dieser eine Mensch war ich. Ich habe mich sogar in anderen gesucht. Habe mich meinen verlorenen Zwilling genannt. Ich war so obsessiv mit mir selbst, dass ich in jedem und überall nach mir suchte. Narzisstisch. Aber nicht nur. 

Es wurde anscheinend erwiesen, dass wir in unseren Partner entweder unseren gegengeschlechtlichen Elternteil oder uns selbst suchten. Ich lachte und dachte dabei an meinen Vater. Deutsch dürfte er sein, den gleichen Humor dürfte er haben. Aber beide Alpha? Naja, ob das gut gehen würde? Ich bezweifelte es und fand nie meinen Vater in meinen Partnern, die eigentlich auch nie richtige Partner, Gefährten wurden. Weiter gingen meine Gedanken aber nicht. Sie blieben beim Nicht-Zutreffen hängen, dass es dadurch diese andere Möglichkeit war, kam mir nicht in den Sinn. 

Ich suchte mich selbst. Wortwörtlich. In jedem. Zuerst in Freundinnen. Deshalb konnte die eine, die mich schwer verletzte, auch so tief in mein Herz rein. Sie hatte sich so mir angepasst, dass ich mich selbst in ihr sah. Ich liebte sie, oder ich liebte mich selbst so sehr, dass in dem Moment als sie etwas tat, was ich niemals tun würde, tun könnte, meine Illusion daran zerbrach. Sie war nicht ich, nicht mit der kleinsten Faser. Ich kannte sie nicht und wir gingen nicht wieder zurück zu einer Freundschaft. Deshalb hatten Mädels, die vom Sternzeichen her Zwillinge waren auch sofort meine volle Aufmerksamkeit. Wenn die Sterne es sagten, mussten sie mir ähnlich sein. Besonders die eine, die immer noch da ist, immer noch so nah, immer noch von mir als Seelenverwandte benannt wird. Kenne ich sie überhaupt? Oder sehe ich nur meine Teile in ihr? Und das erste Mal möchte ich sie richtig kennen lernen. 

So schnell konnte ich abgelenkt werden. Ich habe an meine Version in San Diego gedacht. Da habe nicht nach mir gesucht, in niemandem, und habe mich dabei gefunden. Ich bin mir damit ein grosses Stück näher gekommen, aber dass diese Einsicht mit den Lebensgefährten so spät darauffolgend kam, hinterliess Zweifel, dass ich ganz bei mir war. Ich war mir nie näher, das war klar. Aber bin ich angekommen? Werden wir jemals ankommen, wäre die angebrachte Folgefrage. Aber darum ging es ja nicht. Ich wollte einfach aufhören, die Menschen nur nach meinen Teilen auszusuchen. Ich möchte die Menschen mögen, ihretwillen und nicht weil sie irgendetwas in sich tragen, dass mich an mich erinnerte. Nur weil ich diesen Teil dann sympathisch fände, oder so abstossend, dass er wieder anziehend war, wie zum Beispiel die ganze Geschichte mit einem meiner Ex-Freunde. Oder der letzte, der mir jeden denkbaren Zweifel an mir selbst aufgezeigt hatte, indem er sie verkörperte. All meine Zweifel, all meine Ängste, all mein zerstörtes Vertrauen. Nur weil er nicht mehr in meinem Leben war, hiess das aber nicht, dass ich mich von alledem befreit hatte. Zu einem gewissen Teil bestimmt, aber nicht durch die Trennung von ihm sondern die Wahrnehmung dieser durch ihn. Ich habe nie den Menschen geliebt, der er war. Diesen Menschen wollte ich gar nicht kennen lernen. Ich wollte nur endlich all meine Träume erfüllt bekommen. Aber so lief das nicht, das war mir damals bereits klar. Ich habe es nur trotzdem ausprobiert. 

 

Ich möchte mich in einen anderen Menschen verlieben. Nach aussen lieben. Vorläufer, habt ihr das gehört? Ich liebe all die Teile in mir, wer ich bin, wer ich wurde, was ich verkörpere, wofür ich stehe und einstehe. Ich liebe es. Aber das erste Mal wünsche ich mir einen Menschen richtig und vom ersten Augenblick an zu sehen. Ihn zu sehen. Nicht meine Reflexion. Ich wünsche mir dafür endlich offen zu sein. Ich wünsche mir, mich nicht mehr selbst zu suchen, sondern mich von jemand anderem endlich finden zu lassen. 

 

Über ein Jahr später lese ich diese Worte, sitze im Heimathafen und lächle. Mein Herz hat ihn erkannt.