- Wenn Körper und Liebe leiden -
( … ) Liebeskummer lähmt. Ich habe nun bestimmt eine halbe Stunde damit verbracht, herauszufinden, wie sich Liebeskummer auf einen Menschen, besonders auf mich, auswirken kann. Und jetzt ist es mir klar, es ist lähmend. Der Atem, der schwer fällt, das Herz, das aufliegt und der Körper, der nicht mehr mag. Weder aufstehen, noch liegen bleiben. Nicht laufen und nicht rennen, aber keinesfalls stehen bleiben. Lustlosigkeit, die sich breit macht und uns den Geschmack an allem nimmt. Alles ist wie gelähmt. Alle Fasern ziehen sich zusammen, wenn man an denjenigen denkt, der einem das angetan hat. Und doch schreit jede einzelne Zelle nach dieser Person, denn nur sie könnte die Lähmung heilen, könnte dem Essen wieder Geschmack geben und dem Körper Bewegung beibringen.
Dieser leere Blick, von dem man vergisst, dass man ihn aufgesetzt hat und wenn es einem in den Sinn kommt, denkt man sich, wie sehr die Umwelt es bemerken muss, dass man am liebsten sterben würde. Eine Ungewissheit füllt das Hirn, lässt jede Geste, jedes Wort dreitausend Mal durch den Kopf kreisen. Natürlich ohne eine Lösung zu hinterlassen. Und dieser Stolz. Zusammenbrechen würde man wollen und tut es auch. Doch niemals würde man es zeigen, dass es jede Sekunde geschehen könnte. Man gibt den Beinen den Auftrag weiter zu gehen.
Ich frage mich, ob das hormonell bedingt ist. Es kann doch nicht sein, dass wir uns das selbst antun würden. ( … ) (Text von 2011)
Ich wusste, dass ich diese Worte irgendwo mal geschrieben hatte. Ich musste sie finden, da mich die Thematik nach so vielen Jahren erneut einholte. Ich musste also wissen, was ich damals gefühlt habe, ob ich damals bereits auf die körperlichen Auswirkungen eingegangen bin. Doch als ich den Text dann fand, verfiel ich schallendes Gelächter.
„Seit ich mich so für die Neurobiologie, aber halt auf die Kreativität bezogen, interessiere, habe ich offensichtlich keinen Liebeskummer mehr erlebt, denn ich habe mich endlich mal schlau darüber gemacht, was da im Körper und eben im Hirn so abgeht. Wieso bin ich nicht früher drauf gekommen das nachzuschauen? Ich bin seitdem nämlich komplett entspannt“, sagte ich zu meiner Mutter, wenige Tage nach meiner letzten Trennung.
Ich legte auf und dachte nach, wollte unbedingt andere Menschen darauf aufmerksam machen, dass Liebeskummer leichter handzuhaben ist, wenn man ihn sich bloss bewusst macht - auf die Weise, wie ich es wenige Stunden nach meinem grösstem Zusammenbruch tat. Rotz und Wasser habe ich geheult, die Welt und mich selbst verflucht, irgendwann hyperventiliert und als ich endlich ruhiger wurde, gespürt, dass dieser Mann, der mich gerade verlassen hatte, eigentlich der Richtige gewesen wäre und ich die Liebe nun für immer verloren hatte.
Woher die Inspiration kam, eine Erklärung zu finden, was dabei in meinem Körper und meinem Hirn abging - weil, hallo, irrational hoch Hundert - kam von den physischen Schmerzen; mein Herz, das aus der Brust zu schlagen drohte, die Gliederschmerzen und dem Wunsch so liegend einfach zu sterben, weil die Luft sowieso nicht mehr richtig in die Lungen zu kommen schien. Und was ich las, brachte mich auf folgenden Schluss: Mein Körper handelt nach Schema - ergo bin ich gesund und alles andere ist halb so schlimm.
Am meisten beruhigt hat mich, dass wir im Liebeskummer mit Entzugserscheinungen von Dopamin geplagt werden. Also los, denn diese Ausschüttung muss doch auch über andere Kanäle provoziert werden können. Auf der anderen Seite ist es anscheinend so, dass die „Schmerzzentren“ im Hirn für physische und psychische Leiden nahe beieinander liegen. Was geschieht bei physischem Schmerz? Genau, Adrenalin überschwemmt unseren Körper, nur dass bei psychischen Schmerzen, das nicht so leicht abgebaut werden kann, es weiss ja gar nicht, wohin es muss und das bedeutet Stress für unseren Körper.
Wir sind körperlich gestresst und auf Entzug. Was für eine Kombination. Schliesslich enden wir in den Trauerphasen, über die man Unmengen nachlesen kann, wenn man möchte. Ich kenne sie, also weiss ich, wie ich die verschiedenen Phasen angehen muss. Die haben mir aber auch nie Sorgen bereitet, die habe ich verstanden, denn ein Abschied ist in keinem Fall leicht, manchmal schneller akzeptierbar, aber nicht leichter. Aber diese ersten Momente nach einer Trennung, die bleiben so lange in Erinnerung, tausende Fragen bleiben hängen, das gebrochene Herz hinterlässt Narben.
Ich habe den zitierten Text vor zehn Jahren geschrieben und ich dachte, mein Herz würde nie wieder so kaputt sein wie damals. Ich würde Mittel und Wege finden nie wieder an diesen Punkt zu gelangen. Aber dabei muss ich erneut lachen; versuche die Liebe zu kontrollieren.
Klar, ich bin nicht mehr das 21 - jährige, träumende, naive Mädchen, das unbedingt die Liebe in bedingungsloser Form finden will, ich brauche keine zwei Jahre mehr über einen Typen hinweg zu kommen, der diese Liebe schlicht nicht mit mir finden möchte. Aber zehn Jahre später ist es schwieriger überhaupt noch an die Liebe zu glauben - in dieser Form. Besonders wenn man herausgefunden hat, dass nicht die Liebe so weh tut, sondern es bloss dem Entzug von Dopamin und dem Ausschütten von Adrenalin zu verschulden ist, dass man gerade nach der verlorenen Liebe schreit.