- Rette mich, liebe mich. -
Es endet nicht bei der Selbstliebe.
Tut mir leid.
Für alle, die am Anfang des Weges stehen sich selbst lieben zu lernen, sich selbst zu finden, oder einst hörten: „Wie soll dich jemand anderes lieben, wenn du dich selbst nicht liebst?“ und in unterschiedlichsten Formen diese Thematik endlich angehen und sich schliesslich erhoffen mit der Selbstliebe anzukommen. Es tut mir leid, aber ich befürchte, dass die Selbstliebe nicht die Antwort auf jegliche Lebensfragen ist, dass sie nicht aller Rätsels Lösung ist. Ein guter Ansatz, gewiss. Ich empfehle jedoch das Selbstmitgefühl anzugehen. Es fördert die Empathie, gegenüber sich selbst und anderen, grundlegend. Das Selbstverständnis schliesslich für das Fremdverständnis nutzen.
Vielleicht geht es mir dabei um die Definition der Selbstliebe, die in den verschiedensten Ratgebern individuell interpretiert wird. Nach dem Duden bedeutet Selbstliebe nämlich; egozentrische Liebe zur eigenen Person; Eigenliebe. Und schliesst Egozentrik das Lieben im Aussen nicht irgendwie aus?
Die Liebe ist ein Weg und kein Ziel. Ein Werkzeug im Leben, um in Bewegung zu bleiben. Und darüber lerne ich stets neues.
Mit der Thematik der Selbstliebe, dem eigenen Glück und der Selbstfindung setzte ich mich schreibend oft auseinander:
Ich suchte das Glück in einem anderen Menschen. Aber wie sah Glück überhaupt für mich aus? Plötzlich trieb ich auf einen Weg, der die Liebe im aussen degradierte und fand das Glück in einem Menschen - in mir. Ich erfuhr die Selbstliebe und sie war unglaublich. Sie formte mein Sein, mein Leben, meine Berufung. Ich stürzte mich auf jeden Traum und erfüllte ihn mir selbst. Ich steckte mir Ziele und erreichte sie im Nu. Immer mit einem tollen Freundeskreis und einer tiefen Familienbindung an meiner Seite. Ich liebte. So sehr. Ich lebte die Liebe in so vielen Formen und begann ihr erneut zu vertrauen. Ich vertraute auf das Gute und dass alles immer so kommt, wie es kommen muss. Und so verliebte ich mich auch wieder, erlebte schliesslich eine Liebe, die bis heute in der Form einer tiefen Verbindung um mein Herzen schleicht, aber sich nie zu den romantischen Vorstellungen meiner Jugend entwickelte. Auch wurde ich wieder verletzt. Denn bis zu einem gewissen Mass lernte ich es zu lieben, ohne jedoch zurück geliebt zu werden.
Trotzdem war ich aber auch bei mir angekommen. Ich lebte bewusst und liess mich vom Leben treiben, an verschiedene Wohnorte, zu neuen Bekanntschaften, zu interessanten Berufstätigkeiten. Ich nahm alles und wenn es sich gut anfühlte, trieb ich es voran. Ich liess mich nicht mehr ausbremsen, am wenigsten von mir selbst. Aber akzeptierte dabei auch meine Schwächen, meine Ticks, meine Werte und Prinzipien, meine Verlustängste und Mäh-Tage. Ich kann es nicht anders sagen; ich lebte mein Leben in tiefer Dankbarkeit für alles, was es mir bot.
Ich trieb auf einen Weg, der die Liebe im aussen degradierte … Ja, und davor warnte mich niemand, als ich mit meiner Selbstarbeit begann. Die Selbstliebe wurde zu einer einseitigen Schutzmauer. Ich war im Stande meine tiefe Liebe nach aussen zu geben, ich gab und liebte es zu geben. Und für eine Weile war ich meine eigene Superheldin. Bis ich während des Schreiben etwas lernte, dass ich heute kritisch betrachte.
Und ich lernte, dass ich niemanden retten konnte. Manchmal da kommt man sich vor wie eine Superheldin; stark, unschlagbar, sich selbstbewusst, positiv und immer versucht gutes zutun. Aber retten kann ich damit niemand.
Jahrelang habe ich geglaubt, selbst gerettet werden zu müssen, habe die Lösung in der Liebe gesucht und mich darauf verlassen, dass irgendwann der Ritter in goldener Rüstung auftaucht und mir alles gute zurück gibt, was das Leben mir zuleide getan hat. Bis ich mit Schrecken feststellen musste, dass dies so nicht funktionieren wird. So befreite ich mich von den unsichtbaren Fesseln der eigenen Gedanken, schüttelte mir den Teer von meinen Flügeln und flog los. Lernte meine Fähigkeiten einzusetzen, trainierte meine Werte und Prinzipien, stellte mich den Prüfungen und begann damit, mir die Antagonisten des Lebens mit Stärke vom Hals zu halten oder ganz zu besiegen. Meine Rüstung leuchtete golden. Sodass sie Menschen anzog, die geblendet waren, sie waren fasziniert, liebten es mir beim Fliegen zuzuschauen. Aber sie sahen den Menschen hinter der Rüstung nicht. Denn was ich von Wonder Woman, Spiderman und vielen weiteren erfundenen SuperheldInnen auch verkannt habe; sie lebten im Alleinsein. Es fiel ihnen schwer, Liebe anzunehmen. Zum Schutz der anderen. Oder eben doch sich selbst? Denn Liebe annehmen bedeutet auch verletzlich zu sein und Kontrolle abzugeben. Und auch ich hatte mir antrainiert nicht auf die Liebe anderer angewiesen zu sein (von meiner Familie mal abgesehen). Ich lernte allein zu fliegen.
Aber ich befürchte nun, dass ich durch meine goldene Rüstung anderen verwehrte mir Liebe zu geben, mein Düsentrieb für Höhenflüge zu sein, ein Teil meiner Rüstung zu werden.
Vielleicht liegt da der Hund begraben; aus welchen Gründen ich zur Selbstliebe finden wollte. Weil ich dachte, die Selbstliebe sei ein Ziel und wenn ich mich selbst lieben würde, ich liebenswert und unverletzlich werden würde. Ich wollte kontrollieren können, wenn ich am Boden lag und das Leben auf mich eintrat und um mir selbst dafür die Schuld geben zu können. Das war mein Ziel. Sodass ich vom Weg abkam. Und was geschieht nun?
Ich rüttle an meiner Rüstung. Sie sitzt fest. Ich könnte weiter fliegen. Ich fliege aber nicht, ich schaue mich um, sehe all die liebenden Menschen, mein Zuhause, die Bewegung des Lebens und lächle.