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herzverbunden

- Ein Phänomen der Verbundenheit -

 

Es gibt Menschen, die lernen wir nicht kennen, wir erkennen sie. Das Herz erkennt sie sofort. 

 

Es war ein normaler Donnerstag und ich hatte keine grossen Pläne. Ich war selbstständig und half unserem Sportlehrer mit seiner Tanzgruppe aus. Etwas, das ich nur tat, weil ich selbst jahrelang getanzt hatte. Danach blieb ich im Lehrerzimmer ohne Plan. Da war noch dieser Praktikant mit dem ich die Zeit verquatschte und schliesslich versprach, ihn an den Flughafen zu fahren. Als mich eine weitere Lehrerkollegin aus ihrem Schulzimmer anrief. Sie würde ein paar ihrer Schüler in den Schnupperbetrieben besuchen, ob ich Lust hätte sie zu begleiten. Kein Frage. Ich liebte es und fand es wichtig, bei den Betrieben für die Schüler einen guten Eindruck zu hinterlassen. So machten wir uns auf den Weg. Als erstes nach Kloten, weil ich ja meine Versprechen einhalten musste und den Praktikanten an den Flughafen bringen wollte. Laura fuhr. Und ja, diese Zusatzinfo war wichtig. Denn so war ich diejenige, die im ersten Betrieb, einer Klotener Schreinerei anrief und nach dem Eingang fragte. Ich wurde an den Lehrmeister weitergeleitet, der zwar anbot uns zu holen, mich jedoch irritiert zurück liess, weil er ja nicht wusste, wo wir genau waren. 

„Ich finde euch schon“, hatte er gemeint. Ich lachte, als mein Handy wieder klingelte und eine Sachbearbeiterin mich bat zur Lamborghini Garage zu fahren, da er uns nicht finden würde. Wenn ich mich recht erinnere, war mein erster Gedanke; so ein Lulatsch. Es war so klar, dass er uns nicht finden würde, ich wusste schliesslich, wo wir waren. Er offensichtlich nicht. (Diese Situation widerspiegelte unser Finden. Er suchte mich, aber ich fand ihn.) Schliesslich parkierten wir neben der Garage und stiegen aus dem Auto, als ein grosser, blonder Typ grinsend auf uns zulief. Mein Herz erkannte ihn sofort.

 

Es war ein Montagabend, 21.23Uhr. Ich lag gelangweilt im Bett. Wir befanden uns im zweiten Lockdown wegen Corona. Ich mochte es nie nicht zu arbeiten. Ich brauche Jubel und Trubel, liebe meine Arbeit im Café, die Menschen um mich herum. Es war eine verrückte Zeit und ich lernte gezwungenermassen, was Langeweile überhaupt bedeutete. Eine Ernüchterung, eine Einsamkeit folgte ihr und ich verachtete mich für einen Moment selbst, als ich mir zum hundertsten Mal Tinder runterlud. Um es etwas spannender zu gestalten erfand ich ein Spiel. Zehn Typen im Schnelldurchlauf links swipen und den 11. genauer unter die Lupe zu nehmen. Wollte ich so das Schicksal herausfordern? 

Doch einer erhaschte meine Aufmerksamkeit, blieb mir im Bewusstsein. Ich erinnerte mich an ihn, obwohl er mir nie im Leben begegnet war. Es war ein Match, den ich aber trotzdem ignorierte. Bis er mir am selben Abend anschrieb: 

„Ich sehe fünf Tattoos.“ 

Was war das für eine Nachricht? Und konnte man wirklich meine 11 auf den hochgeladenen Bildern entdecken? Nein, aber so begannen fünf Tage exzessives Schreiben über Gott und die Welt, über uns und alles. 

Es wurde immer verrückter. Wir schafften eine Verbindung, ohne uns je gesehen, gehört oder gespürt zu haben. Es war klar, dass wir uns schnell treffen mussten, herausfinden mussten, ob diese Chemie auch im realen Leben eine Fusion zur Folge hatte. 

Wir hatten im Café einen Take Away eingerichtet und obwohl wir uns für den Sonntag verabredet hatten, schrieb ich ihm spontan, ob er vorbeikommen wollte. Er bejahte und ich platzte fast vor Nervosität. So kam es, dass ich in der Küche verschwand, als meine Arbeitskollegin meinte, dass mein Tinderdate zur Tür reinlief. Ich musste mich ablenken, tausend Fragen schossen mir durch den Kopf. Ich atmete tief ein und aus, stiess die Schwingtüre auf und da stand er an der Bar. Er blickte mich an und ich dachte bloss: „Irgendwie macht das Sinn.“

Er roch so gut, ich konnte ihn gut riechen. Meine Sinne und mein Herz erkannten ihn sofort. 

 

Es war in dieser einen Nacht, als ich begriff, dass ich nie wieder einsam sein würde. Ich schaute ihr in die Augen. Es war, als hätte mir das Universum endlich etwas davon zurück gegeben, was ich durch das Verarbeiten aller Verletzungen und Enttäuschungen in mir verloren hatte. 

Von ihr gehört hatte ich seit Jahren. Über zwei Ecken, sie war eine gute Freundin des Partners meines besten Freundes. Und er erzählte mir soviel von ihr. Wie ähnlich wir uns in gewissen Dingen waren. Dass wir uns entweder lieben oder hassen würden. How little did he know. 

Wir hatten uns zu Viert in einer Pizzeria verabredet, sind uns wenige Tage zuvor am Geburtstag meines besten Freundes über den Weg gelaufen, aber hatten keine Zeit uns kennen zu lernen. Dafür war dieser Abend gedacht gewesen. 

Spontan entschieden wir uns nach dem Essen bei ihren Eltern in den Pool zu hüpfen und die Nacht so zu feiern wie sie fiel. 

Als unsere Jungs auf der Terrassenlounge einschliefen, wirkte es geplant. Aber geplant war nicht, was mit uns geschah. Dass wir die Nacht verquatschten, uns fanden, wie noch niemand zuvor. Erschöpft schauten wir uns an, schüttelten den Kopf. Was geschah hier gerade? Wir sind endlich beieinander angekommen und unsere Herzen haben einander längst erkannt.

 

Diese Menschen, die unsere Herzen erkennen; sie sind zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Sie werden zu Weggefährten. Ohne bestimmtes Ziel. Ohne die Erwartung und doch der Möglichkeit der Ewigkeit. Doch der Moment des Erkennens wird zu einer Erinnerung des Herzens, die unvergesslich bleibt.