„Weisst du, was dein Thema dabei ist?“
„Nein, was?“
„Selbstverachtung.“
Hast du mal völlig aus dem Kontext ein Wort gehört, dass dich in verborgenen Tiefen erschüttert hat? Ein leichtes Erdbeben, dass ab dann nie wieder ganz zur Ruhe kommt. Die Risse in der Verborgenheit schlängeln sich an die Oberfläche und jedes Mal, wenn du das Wort in deinem Kopf wiederholst, dringt es in dein Bewusstsein. Es legt sich über die Hirnrinde und krallt sich daran fest, bis du den Kopf schüttelst und so versuchst den Ausdruck zu vergessen, ihn wieder in die Box der Pandora zurück zu befördern. Aber keine Chance. Er wurde ausgesprochen. Nun ist er da und es wird Zeit sich damit auseinanderzusetzen. Das hat Selbstverachtung mit mir getan.
Verachtung; „das Gefühl, das der Voraussetzung persönlichen Unwertes bei sich selbst (Selbstverachtung) oder bei anderen (Verachtung anderer) entstammt“, sagt die Meyers Enzyklopädie. Das Antonym; die Achtung. (Während ich das nachgeschaut habe, habe ich 20.- an Wikipedia gespendet. Erwähne ich hier, weil ich es wichtig finde, dass ich das nicht als einzige tue und ehrlich dankbar bin, dass egal, wonach ich suche, Wikipedia mir schnell und informativ weiterhilft und mir sagt, dass wenn ich mich selbst verachte, keine Achtung vor mir habe. Danke, für diese Offenbarung. Hier habt ihr 20.-. Nur so nebenbei; wer während des Lesens dieses Textes auch etwas lernt, oder mitnehmen kann, dankt es, indem ihr auch spendet. An Wikipedia, oder mich. Hahaha.)
Selbstverachtung. Poah, gruselig. Es läuft mir kalt den Rücken hinab, wenn ich das Wort in meinen Gedanken formuliere. So stark, so aussagekräftig, aufbrausend und zerstörerisch. Selbstzerstörend. Das ist, was wir dabei tun, wenn uns selbst verachten. Schliesslich komme ich dabei zum Scheitern, erinnere mich daran, dass ich einst einen Blogartikel zum Mut des Scheiterns geschrieben habe, wie ich mich dabei mit meinem eigenen Scheitern auseinandersetzte, nur um darauf zu kommen, dass ich bis dahin nie wirklich gescheitert bin. Das kommt mir nun komisch vor. Ich finde das Scheitern wichtig, verachte mich aber selbst, wenn ich es tue. Ist das der Anspruch, den man an sich selbst stellt? Wenn ich in irgendeiner Form scheitere, möchte ich dabei etwas lernen, deshalb sehe ich es oft nicht als scheitern an. Aber wenn ich dann am selben Thema nochmals „scheitere“, dann verachte ich den nicht getätigten Lernprozess.
So versuche ich stets zu verhindern in ähnlichen Umständen Fehler zu machen. Ein Beispiel dafür und auch der Grund, weshalb mir meine Freundin die Selbstverachtung auf den Tisch legte: Es gibt dieses Video auf Tiktok, in dem ein Typ seinesgleichen vor unabhängigen und starken Frauen warnt. Achtung, Achtung, seid euch bewusst, dass diese Frauen ihre Glückseligkeit stets als Priorität sehen, dass ihr sie begleiten dürft und sie fähig zu tiefer Liebe sind, loyal sind, aber wenn ihr es einmal verkackt, ist es vorbei. Because they know their worth. Bei seinem einminütigen Vortrag konnte ich in allem zustimmen, doch bei der Warnung, dass wenn man uns das Herzen bricht, der Zug abgefahren ist, verzog ich das Gesicht. Ich lebte nämlich nach einem anderen Prinzip, das ich nicht steuern konnte; schliesse ich einen Menschen einmal ins Herz, bleibt er/sie da auch immer drin und kann sich einiges erlauben. Ich begann mich dafür zu verachten. Weil sich ab und an jemand reinschlich, der/die mich tief verletzte und das immer wieder. Ich kann meistens nicht gehen, kann sie nicht loslassen und bewundere die Leute, die nach einem Herzbruch einen kompletten Schlussstrich ziehen können. Fool me once; shame on you. Fool me twice, shame on me. Noch eine solche Redewendung, die mich schaudert. Shame on me. Mein Grundprinzip.
Und ich verachte die Tatsache, dass ich mich so davon angesprochen fühle, dass es so viel mit mir macht und ich am liebsten in Selbstmitleid versumpfen würde. Aber nein, Selbstmitleid kenne ich weniger. Das artet aus; in eben die Selbstverachtung und die kriegt niemand mit (ausser offensichtlich meine Freundin). Nur so nebenbei; es ist bewusst von mir gewählt dieses Wort so oft es geht zu wiederholen. Selbstverachtung. Selbstverachtung. Selbstverachtung. Höre auf, dich selbst zu verachten. Ich generiere eine Abschwächung - innerlich. Am Anfang dieses Textes rollte sie wie ein eckiger Findling auf mich zu, nun wirft sie mich nicht mehr um. Für einen Moment zumindest.
Normalerweise wenn mich ein Thema beschäftigt, bespreche es mit Hinz und Kunz. Dieses Thema vergrabe ich stets, setze mich selbst nicht damit auseinander, weil ich keine Ahnung habe, wie ich den Stempel loswerde. Den Stempel, den ich mir selbst aufdrückte. Ich schrubbe ihn nicht mit Seife weg, bis die Haut darunter wund wird. Nein, ich streichle ihn sanft, akzeptieren ihn als Teil von mir, wie meine Tattoos. So ein Mist aber auch. Vielleicht weil sie keine grosse Macht hat. Die Selbstliebe überwiegt. Es geht stets nur darum, dass ich hohe Ansprüche an mich stelle; die ich gelernt habe zu erklimmen, die ich an mir liebe und oft erfülle. Aber wenn dann eben mal nicht … dann brennt die Hölle. Wie mir gerade auffällt; ich verachte nicht mich als Person, sondern wenn dann meine Taten. Nicht wer ich bin, sondern was ich dann tue. Vielleicht nicht für mich einstehe, meine Bedürfnisse zurückstelle, eine Rolle spiele, für die ich nicht gemacht bin. Und wenn ich mich für diese Taten verachte, dann verliere ich auch die Achtung vor mir selbst.
Es wird Zeit sich damit auseinanderzusetzen, ich gehe jetzt aber erst mal scheitern …