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FreundInnen

- Eine Beziehung fürs Leben -

 

Die Freundschaft ist wie ein langes Gespräch, das nie endet. 

 

Zu dieser Aussage wurde ich von Geoffroy de Lagasnerie inspiriert, der sich philosophisch mit der Beziehung zu seinen zwei besten Freunden auseinandersetzte. Ich habe mir das Buch gekauft, weil es die Freundschaft als Beziehungskonstrukt und Lebensform in den Fokus stellt. Müsste ich nicht jeden zweiten Satz dreimal lesen und gewisse Fachbegriffe googeln, hätte ich es wahrscheinlich längst fertiggelesen. Wir beschäftigen uns viel zu selten mit unseren Freundschaftsbeziehungen. Sie sind einfach da, prägen uns tief, begleiten uns durch all unsere Lebensphasen. 

 

Ich werde von Fremden oder Bekannten meist als extrovertiert wahrgenommen. Mit mir kann man lachen, tiefe Gespräche oder Smalltalk führen. Ich habe keine Angst auf Bühnen zu stehen, oder vor Schulklassen. So führte ich auch jahrelang meine Freundschaften. Ich war das Mädchen, das immer lacht und (wie ich im Nachhinein erfuhr) anführend. Wahrscheinlich verstand ich es als Jugendliche selbst nicht, aber soziale Interaktionen brauchten viel Energie. Ich lernte zu geben, nichts einzufordern und füllte meinen Tank im Alleinsein, im Schreiben, vor der Glotze, um im Aussen für die andern zu funktionieren. 

Es kam mir lange nicht in den Sinn meine FreundInnen dabei mit ins Boot zu holen, meine Bedürfnisse zu kommunizieren, mich leer zu zeigen. 

 

Doch eines Abends veränderte ein Zusammenbruch mein Leben und damit auch meine Freundschaftsbeziehungen. Ich zeigte einer meiner Freundinnen mein trauerndes Gesicht, mit dem verinnerlichten Risiko, dass sie mich nicht mehr erkennen würde und unsere Freundschaft daran zerbrechen könnte. Sie schaute mir tief in die Augen und meinte, so hätte sie mich noch nie gesehen. Ich erschrak für einen Augenblick, bereute meine Offenheit, meine Verletzlichkeit. Sie nahm mich in den Arm und schwor mit mir durch Dick und Dünn zu gehen. In guten wie in schlechten Zeiten. 

Dieser Moment wurde zur Katharsis. 

Es war das erste Mal, dass ich mich verletzlich zeigte, dass ich darauf vertraute, dass Menschen auch diese Seite von mir schätzten und es veränderte all meine Freundschaften. 

Ich begann mit ihnen an unseren Beziehungen zu arbeiten. Bedürfnisse zu klären, stürmische Meere zu überqueren, gemeinsam durch jegliche Emotionen zu tauchen. 

Genauso kam es aber auch zu Trennungen von Menschen, die an meiner Seite nur oberflächlich mitpaddeln wollten. Sie gingen, weil es ihnen der Mühe nicht wert war und ich verstand es. Denn auch Freundschaftsbeziehungen waren Arbeit, die auf Gegenseitigkeit beruhen sollten. Mit Wille und Segen verknüpft sind. 

 

Meine beste Freundin und ich kennen uns seit wir etwa acht Jahre alt waren. Damals konnten wir uns nicht ausstehen. Sie sass im Religionsunterricht zwischen zwei Jungs und kicherte - meines Erachtens - etwas zu tussig. Sie empfand mich als laute Streberin. Als ich nach zwei Jahren ihren Namen auf der Klassenliste für die Mittelstufe sah, zweifelte ich den kommenden Schuljahre entgegen. Das konnte nicht gut ausgehen. 

Wir versuchten einst das exakte Datum für unseren BFF-Titel herauszufinden. Wir gaben auf, es musste nach circa zwei Monate in der 4. Klasse gewesen sein. 

Wer jetzt denkt, eine solche lange Freundschaft läuft irgendwann einfach, nach sieben Jahren halten Freundschaften für immer (hab ich mal gehört), der liegt falsch. Wir leben komplett unterschiedliche Leben, obwohl wir schliesslich miteinander aufgewachsen sind, viele Werte und Prinzipien gemeinsam entwickelt haben. Auch wenn wir hunderte Streits, Missverständnisse und Verletzungen überstanden und ausdiskutiert haben; es bereits öfter, als nicht, leichter gewesen wäre sich zu trennen, entscheiden wir uns immer wieder aufs Neue füreinander. Für unsere Freundschaft. Unsere Liebe. 

 

Genau das fasziniert mich. Der Staat macht uns eine Trennung nicht schwieriger. In einer Ehe bleiben manche, weil sie sich keine Scheidung erlauben wollen oder können. In einer Freundschaft bleiben wir, aus einem einzigen Grund; weil wir bleiben wollen. 

Klar, darf ich eine Ehe und Freundschaft nicht vergleichen. Man darf jegliche Beziehungen nicht vergleichen. 

Ich fände es bloss wunderbar, wenn wir uns unseren Freundschaften mehr bewusst wären, sie mehr feiern würden, in Dankbarkeit unsere FreundInnen in die Arme schliessen und bewusster aus der Kraft schöpfen, die uns diese tiefnahen Menschen geben. 

Keine Liebe ist so frei, so kräftigend, so lebensbezeugend. Sie ist das Gespräch, das niemals endet.

 

Ich habe grosses Glück von diesen wundervollen Menschen in meinem Leben begleitet zu werden, sie in ihrem Leben zu begleiten. 

 

Ich entscheide mich täglich für euch und verspreche euch meine Liebe;

seit 25 Jahren und für immer,

seit 20 Jahren und für immer,

seit 16 Jahren und für immer,

seit 11 Jahren und für immer,

seit  8 Jahren und für immer,

seit  7 Jahren und für immer,

seit  4 Jahren und für immer,

seit  3 Jahren und für immer,

 

und vielleicht ab morgen und für immer.